Populistische Polemik und untaugliche Kritikversuche am Fallbeispiel des Herrn Grosz

von Firmian Fürnsinn

Zwei Sekunden lang starrt der Protagonist einem nach dem Click auf das Thumbnail des mit „HEUTE DIENSTAG GROSZ VS BOHRN MENA ab 21.45 Uhr auf oe24.tv“ betitelten Videos sichtlich erwartungsvoll entgegen, dann öffnet sich sein Mund. Innerhalb des folgenden, etwa anderthalb Minuten langen Segments klärt der Sprecher die Zuhörerschaft dann auf – über Gott und die Welt, vor allem aber über die großen Probleme der österreichischen Tagespolitik. Sein Name ist Gerald Grosz, die Infobox seines YouTube-Kanals informiert den interessierten Leser über die mannigfaltigen Tugenden und Qualifikationen des „rhetorische[n] Schwert[es] im deutschsprachigen Raum“.

„Kritisch, unabhängig und direkt!“, so sollen seine Beiträge sein. Weiters: „Erleben Sie den wohl schärfsten Politkommentator des deutschsprachigen Raumes Gerald Grosz. Der ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat Österreichs nimmt sich kein Blatt vor dem Mund, kritisiert schonungslos die Mächtigen.“ Und weiter: „Er sagt, was Ihr Euch denkt. Unzensiert, direkt und unabhängig.“ Es soll sich also in dem von ihm publizierten Content eine „Kritik“ der hierzulande gängigen politischen Praktiken finden. Erarbeitet werden die vorgetragenen Beanstandungen dabei von einem, dem man einen Mangel an praktischer Erfahrung im politischen Geschäft tatsächlich kaum vorwerfen kann. Schließlich lässt sich im Lebenslauf der Person Gerald Grosz wahrlich kein Defizit an von ihm ausgeführten höheren Ämtern nachweisen – sein letzter Exkurs in die hiesige Politik brachte ihm bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 immerhin 5,6 Prozent der Wählerstimmen ein.

So viel also zum Redner und seiner Zielsetzung. Die Auseinandersetzung mit den vermittelten Inhalten gestaltet sich da schon anspruchsvoller. Am Beispiel eines seiner aktuelleren Videos zum Krieg in der Ukraine lassen sich grundsätzlichere Rückschlüsse über die Beschaffenheit des Kritikverständnisses von Herrn Grosz ziehen. Überall fallen ihm an der Sache der militärischen Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten und dem parallel geführten Sanktionsregime wirtschaftlicher Art Sachverhalte auf, denen er eine für die Nation schädliche Auswirkung attestiert. Die Brutalität des Krieges dient ihm in seinen Ausführungen als moralischer Vorwand für den dem Argument tatsächlich innewohnenden Inhalt. An der Sache der zerstörerischen militärischen Auseinandersetzung hat er kritisch nichts auszusetzen – im Rahmen seiner nationalistischen Bemühungen sieht er in diesem konkreten Krieg lediglich einen Schadensfaktor am deutschen Staat bzw. der EU und verleugnet dabei alle Gründe, die diese Institutionen klar für ihre Beteiligung an den Sanktionen gegen Russland benennen. Eine grundsätzliche Ablehnung von gewaltvollen zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen sucht man in seinen Videos also vergebens, einzig und allein diesem Krieg kann er nun mal nichts abgewinnen.

Paart man die hier praktisch geäußerten, scheinpazifistisch bemühten mentalen Verrenkung von akrobatisch beinahe beängstigendem Ausmaß mit allerhand ad hominem-Attacken, so ergibt sich ein polemischer Verriss einer tatsächlichen Kritik an politischen Gewaltverhältnissen und nebenbei ein Agitationsvideo, dem man das Prädikat „Populismus“ zweifelsfrei beimessen kann. Die rechtsorientierte Boomer-Audienz klatscht in den Kommentaren Beifall für allerlei rhetorisch fein verpackte, allerdings inhaltsfremde und nicht weniger sexistische Attacken auf die aktuellen Amtsinhaber. (Die FDP-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann wird „Schabracke“ und „Flintenweib“ genannt, Ricarda Lang soll sich als Landminenwalze verdinglichen.)

Eine Kritik, wie sie Herr Grosz in den meisten seiner Beiträge übt und wie ich sie hier exemplarisch analysiert habe, taugt in der Auseinandersetzung mit an sich tatsächlich zu kritisierenden Zuständen in der Welt nichts. Eine bloße Anführung von wahrgenommenen Missständen, welche über die simple Benennung ebenjener nicht hinausgeht und aus dem Versäumnis die Ursachenanalyse zu vertiefen gänzlich fehlgeleitete Schlüsse zieht, endet zwangsläufig in völlig fehlgeleiteten Annahmen über Gott, Staat und andere Banalitäten.